Fasching

Der Fasching war auch im sächsischen Jahreskalender eine wichtige Festzeit. Er dauerte vom „Geschworenen Montag“, dem Montag nach dem Dreikönigstag, bis zum Aschermittwoch und wurde auch als „Fastnacht“ oder „Fasnacht“ (Foosnicht, Fuesendich im Dialekt) bezeichnet. Die Faschingstraditionen in Siebenbürgen hatten ihre lokalen Besonderheiten und zeigten viele Varianten auf. Es gab in dieser Periode verschiedene Arten von Feierlichkeiten:

Faschingsbälle, Maskenbälle

Die Faschingsbälle, die von der Jugend oder von den früher existierenden Vereinen organisiert wurden (Frauenverein, Freiwillige Feuerwehr etc). Höhepunkt war der Marienball am 2. Februar. In Anlehnung an diese Tradition veranstaltet das Demokratische Forum der Deutschen in Hermannstadt heute noch jährlich den Marienball in Hermannstadt. Es ist ein Tanznachmittag mit Blasmusik vom Band, zu dem hauptsächlich Senioren kommen. Der Marienball hatte in der Stadt früher keine Tradition, nur auf den Dörfern.

In den Städten, besonders in Hermannstadt, hatten mondäne Maskenbälle Tradition, die habsburgische Garnisonsoffiziere nach Art der Wiener Redoute Anfang des 18. Jahrhunderts in die siebenbürgisch-sächsische Gesellschaft eingeführt hatten. Einen Maskenball ähnlicher Art gibt es heute noch in Petersberg, wo jährlich der „Burzenländer Fasching“ gefeiert wird. Dort gibt es heute noch einen Maskenaufmarsch und eine Wahl der schönsten Maske. Auch in Bistritz wird seit 2005 nach langer Pause wieder ein Faschingsfest mit Masken gefeiert, das ebenfalls vom dortigen Forum veranstaltet wird.

Faschings-/ Maskenumzüge

Einen eigenen Fastnachtsbrauch hatten in Siebenbürgen die Zünfte. Sie feierten vielerorts das „Ladeforttragen“ (die Übergabe der Zunftladen der Gesellen an den neuen Zunftmeister). Dieser Brauch blieb auch nach dem Verbot der Zünfte im Jahr 1872 bestehen. Aus ihm entwickelte sich der bekannte Urzelnlauf, der in Agnetheln seit dem Jahr 2006 wieder gefeiert wird. Die Urzeln, zottelige Wesen mit Masken, spielten in früheren Jahrhunderten als Begleiter der Zunftlade nur eine marginale Rolle in dem Umzug der Zünfte. Nach deren Auflösung wurden sie allmählich zu Hauptfiguren. Der Urzelnlauf ist in Agnetheln zu einem großen Stadtfest geworden, das Besucher von überallher anzieht. Es ist heute der wahrscheinlich bekannteste und mit größtem Aufwand dargebotene siebenbürgisch-sächsische Brauch. Sein Wiederaufleben nach 16-jähriger Pause initiierte übrigens ein Rumäne, der Deutschlehrer Bogdan Patru. (Bis zur Auswanderung existierte der Urzelnlauf, in leicht variierter Form, auch in Großschenk und Marpod. Dort ist die Tradition jedoch verloren gegangen.)

 Urzelnauf in Agnetheln 2010

Ein ähnlicher sächsischer Brauch ist auch in Kerz wiederum von Rumänen vor einigen Jahren wieder aufgegriffen worden. Das "Sărbătoarea Burduhoșilor" (Fest der Burduhosi, einer den Urzeln ähnlichen Fastnachtsfigur) ist ein Umzug, bei die Burduhosi und als Bären verkleidete Gestalten peitschenknallend durch die Straßen laufen und die Zuschauer traditionell im Gesicht mit Ruß beschmieren, was ihnen Gesundheit und Schutz vor allem Übel bringen soll. Die evangelische Gemeinde ist bei diesem Fest als Organisator nicht beteiligt.

Im Burzenland und in der Umgebung von Sächsisch-Reen hatten Faschingsumzüge Tradition, die ursprünglich von den Bruderschaften, und nach deren Auflösung von den jungen Männern organisiert wurden, bevor sie zum Militär eingezogen wurden. Hierzu war es üblich, auf fahrenden Pferdewagen Küchen einzurichten. An einem Herd bereiteten dort als Frauen verkleidete Männer Pfannkuchen zu, die sie an die Zuschauer am Straßenrand verteilten. Auf anderen Wagen wurden Haustiere, Hasen, Hühner und Kälber mitgeführt. Diese Tradition hat sich nur in Tartlau erhalten. Der dortige Pfarrer Pal Andras regte 2003 die Wiedereinführung des schon verlorenen Brauchs an, die Organisation nahm in den folgenden Jahren aber mehr und mehr das Bürgermeisteramt an sich. Dieser Brauch hat immer noch ursprüngliche Elemente – die auf Pferdewagen aufgebauten Herde, auf denen verkleidete Jungen Pfannkuchen backen. Er heißt heute „Festivalul Clatitelor“ und hat sich heute allerdings zu einem Stadtfest kommerzialisiert, mit Mici-Buden, Popcorn und einer großen Bühne, auf der Schulkinder auf schlecht eingestellten Mikrophonen Lieder singen. Von den in Tartlau noch ansässigen Sachsen nehmen nicht mehr viele an dem Umzug teil und die Kirche hat sich aus der Organisation zurückgezogen.

  

Das "Pfannkuchenfestival" ("Festivalul Clatitelor" in Tartlau 2010)

Fasching innerhalb der Nachbarschaften

Es gab und gibt auch heute noch den Fasching, der innerhalb der Nachbarschaften als Teil des Richt- oder Sittages organisiert wird. In den meisten der bestehenden Nachbarschaften wird er abgehalten, er ist heute allerdings ein wesentlich ruhigeres Zusammensein als früher. Im Pfarrhaus oder im Restaurant treffen sich die Nachbarn zu Wein und einem guten Essen, zu Musik wird auch  manchmal noch getanzt. Diese Art von Fasching war früher einmeist mehrtägiges Spektakel, das in vielen Orten den jährlichenHöhepunkt des gesellschaftlichen Lebens darstellte. Ähnlich dem „Ladetragen“ der Zünfte entwickelten sich auch hier Umzüge, auf denen die „Nachbarlade“, die alle wichtigen Unterlagen der Nachbarschaft enthielt, zum Haus des neugewählten Nachbarvatersgetragen wurde. In Michelsberg war dieser Umzug bis in die frühen 90er Jahre feierlich von geschmückten Reitern begleitet. Dort wurde zwei Tage gut gegessen und kräftig gefeiert. Die Nachbarfrauen waren für die Verköstigung zuständig (meist gab es Tokane, eine Art Gulasch). Zum Fasching wurden Sketche und Theaterstücke einstudiertund in manchen Orten mit viel Mühe sogenannte „Faschingsblätter“ (Zeitungen) gestaltet, in denen Ereignisse und Personen, die im vergangenen Jahr aufgefallen wurden, verlacht wurden. 

Beim Fasching, der „verkehrten Ordnung“ war fast alles erlaubt. Die Nachbarn spielten sich untereinander derbe Scherze. Der Pfarrer war zum Fasching eingeladen und schaute bei jeder Nachbarschaft vorbei, für ihn war es ja interessant zu sehen, wie sich die Gemeinde außerhalb der Kirche gebärdete. In vielen Orten wurde der Fasching, in Form einer Strohpuppe, in einem Ritual beerdigt oder verbrannt. Dies findet heute meines Wissens nirgendwo mehr statt. Überall verlorengegangen ist auch der Kinderfasching, der „Blasi“, der früher am 3. Februar, zum Tag des Heiligen Blasius stattfand. Ebenso ist verlorengegangen das „Gansabreiten“, das im Zekeschgebiet östlich von Mühlbach (in Törnen bis 1989) gehalten wurde (einer Gans, die an den Füßen an einem aufgespannten Seil hing, schlugen junge Männer im Wettkampf mit einer Peitsche den Hals ab).

(Stand November 2010, J. Jürgens)