Die gebürtigen Reußener, die heute in Deutschland leben, haben wie schon beschrieben eine enge Verbindung zur Heimat, die sie durch häufige Besuche pflegen. Diese Besuche haben meist einen Arbeitszweck, dann, wenn zum Beispiel der Friedhof neu umfriedet oder das Pfarrhaus gemeinsam renoviert wird. Es sind gewissermaßen nachbarschaftliche Aktivitäten, die die Ausgewanderten heute zusammen mit den „Zurückgebliebenen“ unternehmen, um dem Verfall des Dorfes entgegenzuwirken.
Einmal im Jahr wird aber auch richtig gefeiert. Es ist kein Kalendertag, der diesen Brauch festsetzt, das Datum haben die Reußener selbst bestimmt, und zwar den zweiten Sonntag im August. Seit dem Jahr 2000 ist es Tradition geworden, in Reußen das „Heimattreffen“ zu feiern. Um die 100 gebürtigen Reußener kommen mit Familie aus der Stuttgarter und Augsburger Gegend, wo sie heute leben. Die meisten haben in Reußen noch ihren Hof .
Das Heimattreffen beginnt immer mit einem Abendmahlsgottesdienst .Es folgt eine Kranzniederlegung am Ehrendenkmal der Deportierten und Gefallenen des 2. Weltkriegs auf dem Evangelischen Friedhof. Nach diesem ernsten Teil wird es gemütlich und ausgelassen: Bei gemeinsamem Essen und Kaffeetrinken werden die Nachrichten des letzten Jahres ausgetauscht. Es wird gesungen und getanzt. Neben dem Feiern werden auch gemeinsame Aktionen geplant: Renovierungsmaßnahmen am Pfarr- oder Gemeindehaus, Aufräumarbeitem am Friedhof. „Reußen ist eine starke Gemeinschaft“ betont der Organisator des Treffens, Andreas Hihn. Seiner Meinung nach ist sie heute sogar stärker als in den 80er Jahren, als die Auswanderung begann.
Die Heimat-Treffen in Reußen tragen sicher zu dem Gefühl einer „starken Gemeinschaft“ bei. Neben dem Treffen in Reußen gibt es noch ein weiteres Heimattreffen in Augsburg, das alle zwei Jahre stattfindet. Im Unterschied zum Treffen in Deutschland beschreiben die Reußener das Treffen in der Heimat als emotionaler. Reußen ist das „Zuhause“, das die prägenden Erinnerungen der Kindheit wachruft. Entwickelt hat es sich aus informellen Treffen der Heimaturlauber im Sommer, die irgendwann zu einer offiziellen Veranstaltung wurde. Die Vorbereitung treffen alle zusammen, wie der Mitorganisator Dieter Lauer erzählt: Essen, Musik, Tanz – jeder hat seine Aufgabe und trägt etwas bei. Hier kommen sicher noch die Erfahrungen der Nachbarschaften zum Tragen, die Feste wie Kronenfest oder Fasching oder auch Hochzeiten immer mit Hilfe aller organisierten.
Das Reußener Treffen ist nach zehn Jahren zu einer neuen Tradition geworden, die die alten Feste und Zusammenkünfte von früher ersetzt hat.
(Stand August 2010, J. Jürgens)