Maibäume in Reussen

Nach der großen Auswanderung in den frühen 90er Jahren fand das Maibaum-Aufstellen in Reußen lange Zeit nicht mehr statt. Die verbliebenen Sachsen im Ort waren zu alt, um die - ursprünglich den „Burschen“ vorbehaltene - Aufgabe zu übernehmen, im Wald junge Birken zu schlagen und vor Kirche und Pfarrhof aufzustellen.

Im Jahr 2008 beschloss eine Gruppe in Deutschland lebender Reußener, diesen Brauch in Reußen wiederzubeleben. Seitdem kommen an Pfingsten die Ausgewanderten in ihren Heimatort und stellen am Pfingstsamstag wie früher die Maibäume im Pfarrhof auf. Auch der Kuratorin Katharina Banciu pflanzen sie als Ehrehrbietung einen Baum vor die Tür, anstelle des Pfarrers, der heute nicht mehr in Reußen, sondern in Hermannstadt wohnt. Am Pfingstsonntag gibt es einen Festgottesdient und danach gemeinsames Essen im renovierten Pfarrhaus mit selbstgebackener Hanklich und Musik und Tanz.

In heidnischer Zeit sollen die Pfingstbäume ein Element des "magischen Vermeidungszaubers" gewesen sein, der den Hof und seine Bewohner schützen sollte. In der Neuzeit änderte sich die Bedeutung hin zum Liebesmaien, nach der noch nicht verheiratete Männer ihrer Auserwählten eine Birke vor die Hoftür setzten - manchmal das erste öffentliche Bekenntnis einer Zuneigung, die am Ende des Jahres mit einer Verlobung gefestigt wurde. Ebenfalls kam der Brauch hinzu, Autoritäten im Ort, wie dem Pfarrer, einen Maibaum vor das Haus zu stellen. 

Das Aufstellen der Pfingstbäume hat in Reußen heute hauptsächlich die Bedeutung, die Verbindung zwischen den ausgewanderten und gebliebenen Reußenern zu halten und sich der gemeinsamen siebenbürgisch-sächsischen Identität zu versichern. Das schafft Orientierung und Halt. In dem Sinne, wie der Reußener Johann Lauer seine Website über Reußen einmal untertitelte: „Zukunft braucht Herkunft“ (www.reussen.info)

(Stand September 2010, J. Jürgens)