An den würdigen Traditionen rund um das Begräbnis wird in Keisd, wie in vielen anderen Orten, trotz kleiner Gemeinde festgehalten. Noch immer sterben die Menschen, insofern sie keinen Unfall oder eine schwere Krankheit hatten, im Kreis der Familie zu Hause. Der Pfarrer wird gerufen, um das letzte Abendmahl vorzunehmen, das Waschen und Herrichten des Toten übernimmt die Familie.
In der Stube des Hauses findet die Totenwache statt, zu der Freunde und Nachbarn in den Abendstunden zusammenkommen. Am zweiten oder dritten Tag findet das Begräbnis statt. Immer vier Nachbarn heben das Grab aus, der Nachbarvater bestimmt die Männer aufgrund einer Liste, nach der alle Männer bis zu einem bestimmten Alter der Reihe nach gerufen werden. Zum Grabläuten versammeln sich die Nachbarn im Hof des Verstorbenen, die Männer auf der einen, die Frauen auf der anderen Seite, geordnet jeweils nach dem Alter. Der Nachbarvater oder ein Mann, dem "das Reden gegeben ist", bitten den Sarg heraus und stellen ihn im Hof auf die Totenbank. Die Abbitte wird mit traditionellem Wortlaut, der als "Gleichnung" früher jedem bekannt war, eingeleitet und dann auf den jeweiligen Fall hin etwas abgeändert. Heute wird der Text allerdings meist gekürzt.
Hier ein Beispiel aus der Zeit vor der Auswanderung (entnommen dem Heimatbuch "Keisd" von Friedrich P. Menning):
"Erstens wollen wir dem lieben Gott danken, dem wir alle miteinander zu danken schuldig sind. Den treu barmherzigen Gott wollen wir auch fernhin anrufen, der unser Vater und Fürsorger sein möge. Er möge jedem frommen Christen nur dasjenige Teilchen auferlegen, was ihm für Leib und Seele nützlich und erträglich sein mag. - Auf der einen Seite können wir uns auch erinnern und zu Gemüt führen, was der liebe Gott mit dieser lieben Freundin/ diesem lieben Freund hat wollen machen; der sie/ ihn auch in ein langes Krankenbett gesetzt hat, da keine ärztlichen und häuslichen Mittel gewesen sind, bis er nun selbst mit seiner Hilfe gekommen ist und sie zu sich in sein Reich genommen hat. Nun wissen wir aber auch, dass so ein toter, verblichener Körper bei uns Lebenden nicht aufgehalten werden kann, sondern hinübergeschafft werden muss auf den Acker Gottes, zur Erde, die unser aller Mutter ist. Aus eigenen Kräften habt ihr aber das nicht können vollziehen, sondern habt Zuflucht genommen zu den Herren Geistlichen, zu den Herren Scholaren, zu guten Freunden und zur ehrsamen Nachbarschaft. Nun haben wir auch gesehen, dass es hat können geschehen, den letzten Ehrendienst helfen zu leisten. - Das sollen meine Worte sein." (Die Abbitte wird in sächsischer Mundart gehalten).
Der Pfarrer hält die Lesung und ein Gebet, und die Nachbarn singen einen Trauerchoral. Sechs Nachbarn geleiten den Sarg im Trauerzug zum Friedhof, und obwohl es heute einen Totenwagen gibt, halten sie den Wagen symbolisch an Griffen fest, so dass es aussieht, als trügen sie den Sarg so wie früher. Auch im Leichenzug wird eine feste Ordnung eingehalten, nach der Pfarrer und Kurator vorausgehen, dann folgt der Sarg, die Familienangehörigen und die Nachbarn, die wiederum geordnet nach Alter gehen. Jeder kennt seinen Platz.
Die Teilnahme an Begräbnissen ist den noch werktätigen Nachbarn heute während der Woche schwer möglich. Während des Kommunismus bekamen die Sachsen in Keisd frei, die Leiter der Staatsfarmen und LPG's kannten die Bräuche, wie eine Bewohnerin aus Keisd erzählt und akzeptierten sie. Heute geht das Verständnis der Unternehmen nicht mehr soweit. Ist ein Nachbar mit dem Grabmachen an der Reihe und verhindert, so sorgt er jedoch selbstverständlich für einen Ersatz.
Das Tränenbrot nach der Beerdigung wird heute auf verschiedene Weisen, je nach Wunsch und Möglichkeiten der Familie des Verstorbenen abgehalten.
(Stand Oktober 2010, aufgezeichnet Julia Jürgens)