In Neudorf wird das Begräbnis noch nach alter Tradition gehalten und von der evangelischen Gemeinde organisiert. Dazu gehört die Totenwache, das Grabausheben durch Männer der Gemeinde, das Aufspiel der Blaskapelle, die Abbitte des Toten, der Leichenzug zum Friedhof mit Musik, das Zuschaufeln des Grabes durch Männer der Gemeinde und das Tränenbrot nach dem Begräbnis.
Die Totenwache findet an einem oder zwei Abenden im Haus des Verstorbenen statt. Verwandte und Freunde, heute nicht mehr nur Sachsen, sondern auch Rumänen oder Roma, versammeln sich am Sarg. Es werden kirchliche Trauerlieder gesungen und es wird gebetet, der Pfarrer oder der Kurator (wenn der Pfarrer nicht kommen kann) lesen aus der Bibel und halten am Ende eine Rede auf den Verstorbenen, in der sie seine Lebensstationen aufzählen und seine Leistungen, die er in die Gemeinschaft eingebracht hat, würdigen.
Vor dem Begräbnis läuten die Glocken zehn Minuten, damit die Menschen sich versammeln. Dann läuten die Glocken, bis der Pfarrer oder die Pfarrerin, begleitet von einigen Bläsern, vom Pfarrhaus zum Trauerhaus gelangt ist. Im Hof wird ein Choral gesungen, dann bittet der Kurator oder ein anderer den Toten heraus.
Die Abbitte des Toten leistete früher der Nachbarvater, heute kann es jeder tun, der sich "zum Reden" berufen fühlt. Die Abbitte ist keine fixe Formel, aber sie hat einen ungefähren Wortlaut, der etwa so ist:
„Liebe Trauerfamilie, liebeTrauerversammlung, wie wir sehen, hat Gott wieder einmal seinen Todesengel in unsere Gemeinde gesandt und hat uns diesmal unseren lieben Vater/ Bruder/ unsere liebe Schwester (…) aus unserer Mitte genommen. Ich komme im Namen unserer Kirchengemeinde, um von Euch unseren Bruder/ unsere Schwester (…) abzufordern. Ihr sollt uns gestatten, den Bruder/ die Schwester auf Gottes Acker zu bringen,um ihn/ sie dort zu bestatten, wo es allen Christen zusteht zu ruhen, bis einmal die Posaune erschallen wird am Jüngsten Tag, wenn wir alle auferstehen werden. Ich wünsche Euch Hinterbliebenen, Gott der Herr möge Euch Kraft geben, damit Ihr auch dieses Leid mit seiner Hilfe überwindet. Unserem Verstorbenen wünsche ich eine sanfte Ruhe und einen fröhlichen Auferstehungsmorgen.“
Nach diesen Worten wird der Sargdeckel geschlossen und zugenagelt, und der Tote in den Hof getragen. Dort hält nun der Pfarrer die Predigt. Mit Musikbegleitung von den verbliebenen Neudorfer Adjuvanten wird der Tote von allen Anwesenden zum Friedhof begleitet. Früher trugen die Nachbarn den Sarg den ganzen Weg auf den Schultern, als Ehrehrbietung. Heute ist dafür die Kraft nicht mehr da, und es gibt einen Totenwagen. Nur den Weg zur Kirche hinauf wird der Sarg noch getragen.
Am Grab wird noch ein Gebet gesprochen, dann wird der Tote hinabgelassen. Beim Zuschaufeln des Grabes helfen alle noch arbeitsfähigen Männer der Gemeinde. Dabei spielen die Bläser und läuten die Glocken, bis das Grab fertig ist. Der Kurator (früher der Nachbarvater) bedankt sich beim Pfarrer für seinen Dienst. ZumTränenbrot wird heute die ganze Trauerversammlung eingeladen, weil sie nur noch so klein ist. Früher wurde nur die Verwandtschaft eingeladen, und auch das waren schon an die hundert Personen.
(Stand Oktober 2010, J. Jürgens)