Begräbnis/ Abbitte des Toten in Reichesdorf

Das Begräbnis beschreibt Johann Schaas, Kurator von Reichesdorf, als die bedeutendste Aufgabe der Nachbarschaft. In den Dörfern der übergemeindlichen Nachbarschaft, in Reichesdorf, Birthälm, Scharosch und Großkopisch, kommen ihrer Ehrenpflicht heute noch die Nachbarn nach, sofern sie es nur irgend schaffen.

Zur Ehrenpflicht gehört zunächst die Totenwache. Sie wird heute noch im Haus des Verstorbenen gehalten. Gegen Abend „geht man auf die Leiche“, wie die Sachsen sagen und sitzt dort, erst still, dann im Gespräch bei Kuchen und Wein, mit den Angehörigen zusammen.

Zur Ehrenpflicht gehört auch das Ausheben des Grabes, das früher drei Nachbarn übernahmen. (Dafür bekamen sie von der Trauerfamilie drei Liter Wein und Brot und Speck). Heute müssen dafür Totengräber angestellt und bezahlt werden.

Woran auch immer noch festgehalten wird, ist das Heraus- oder Abbitten des Toten durch die Nachbarn. Acht Nachbarn treten ins Trauerhaus und einer von ihnen bittet den Sarg mit dem Verstorbenen hinaus. Diese Bitte wird in einer festen Form vorgetragen, die jedoch immer leicht variiert wird. Als Kurator und sicherer Redner hat Johann Schaas in den letzten Jahren viele Tote herausbitten müssen. (siehe Interview „Zur Abbitte des Toten“) Die Abbitte lautet heute noch etwa so (sie wird allerdings in sächsischer Mundart gehalten).

"Ich spreche mein Bedauern aus, unser Nachbar ist verschieden. Wir müssen ihn begraben und wir bitten die Familie, dass sie die Leiche herausgeben, dass wir sie auf den Friedhof schaffen können. Unser Herrgott soll Sorge tragen für ihn/ sie auf allen Wegen."

Im Hof hält der Pfarrer anschließend eine Trauerrede. Bis 1996 spielten die Adjuvanten von Reichesdorf dann einige Choräle, bevor der Leichenzug sich zum Friedhof in Bewegung setzte. Danach löste sich die Blaskapelle auf. Heute läuten nur noch die Glocken. Der Sarg wird auch nicht mehr von den Nachbarn getragen, sondern auf einem Totenwagen zum Friedhof geleitet. Nach dem Begräbnis dankt ein Angehöriger des Verstorbenen allen Anwesenden und lädt sie zum Tränenbrot (Leichenschmaus) ein.

(Stand Juni 2010, J. Jürgens)