In Wolkendorf existieren heute von ehemals vier noch zwei Nachbarschaften: Die Mühlgässer und Obergässer Nachbarschaft haben sich zusammengetan, ebenso die Haupt- und die Hintergässer Nachbarschaft.
Beide Nachbarschaften arbeiten eng zusammen, jede hat aber ihren eigenen Nachbarvater. Wie früher halten die Nachbarschaften ihren Richttag gemeinsam in der sogenannten Männerkirche am Sonntag Estomihi (Sonntag vor Aschermittwoch). Zur Männerkirche versammeln sich im Pfarrhaus alle Nachbarn, aus jeder Familie ein männlicher Vertreter und nur da, wo es keine Männer mehr gibt, ist auch eine Vertreterin erlaubt. Die Männerkirche leitet der Pfarrer zusammen mit dem Kurator. Nach einer Begrüßung vom Pfarrer tragen die Nachbarväter die Jahresberichte vor. Die wichtigsten Angaben sind die Zahlen der Mitglieder, in Männer, Frauen und Kinder unterteilt und die Zahl der freiwillig geleisteten Arbeitsstunden. Die Verlesung dieser Stunden ist den Nachbarn sehr wichtig. Der Kurator führt ein Heft, in dem bei jeder nachbarschaftlichen Arbeit genau festgehalten wird, wer wieviele Stunden teilgenommen hat. Im Jahr 2009 wurden von beiden Nachbarschaften insgesamt 255 Arbeitsstunden geleistet. Das sind immerhin knapp 32 Arbeitstage, die die Nachbarschaften zusammen leisten. In der Männerkirche wird noch beredet, welche Arbeitseinsätze im nächsten Jahr anstehen, das Protokoll führt und verwahrt heute der Pfarrer.
Die Mitarbeit an nachbarschaftlichen Arbeitseinsätzen ist heute freiwillig. Fast alle anfallenden kleineren Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten an der Kirchenburg, am Pfarrhaus und am Friedhof schaffen jedoch die Nachbarschaften noch selbst. In diesem Jahr haben sie zum Beispiel den Friedhof repariert; an den Mauern wurden feuchte Stellen abgeschlagen und neu verputzt, die Inschriften an den Gruften neu gemacht (für letzteres gab es einen Fachmann, den die HOG finanzierte). In der Burg wurden die alten Vorratskammern geputzt, sowie die Fensterrahmen neu gestrichen und vergittert. Steht eine Arbeit an, geht der Kurator zu den Nachbarvätern und bittet um soundsoviel Männer. Es kommen immer genug, erzählt der Kurator Reinhard Beer, etwa 15 Mann meistens. Meistens sind es Rentner, denn die wenigen jüngeren Nachbarn, die es gibt, arbeiten auswärts.
Nach der Männerkirche wird auch noch der Fasching gehalten, früher im Turnsaal der Deutschen Schule, heute im Erholungsheim der Evangelischen Kirche. Blasmusik und Programm (Theaterstücke) gibt es heute nicht mehr, zur Musik "aus der Box" wird aber immer noch getanzt, wie Kurator Beer erzählt. Die Männer grillen Holzfleisch, die Frauen bringen Gebäck, darunter den für diese Gegend typischen Baumstrietzel. In manchen Jahren fällt der Fasching aus, weil die Wolkendorfer zum Fasching die Nachbargemeinden fahren, nach Zeiden, Neustadt oder Petersberg.
(Stand: Oktober 2010, Julia Jürgens)