Bis sich die Nachbarschaften 1993 auflösten, wurde der Richttag gehalten und anschließend Fasching gefeiert. Der Richttag fand bei allen Nachbarschaften eine Woche vor Aschermittwoch statt (später am Wochenende, da man in den Staatsbetrieben keinen Urlaub nehmen konnte). Mit der Faschingsfeier dauerte der Richttag insgesamt drei Tage. „Gerichtet“ wurde nur am ersten Tag, dann folgten zwei Tage und zwei Nächte zünftiges Feiern.
Der erste Tag, der eigentliche Richttag, begann mit einem Gottesdienst, zu dem nur die Männer kamen (Männerkirche). Anschließend versammelten sich die Männer beim scheidenden Nachbarvater zum „Richten und Schlichten“ zu Hause. Zum Abschluss wurde eine Runde Schnaps ausgeschenkt, damit sich alle richtig versöhnen konnten. Früher hatte das noch einen anderen Zweck: Als der Nachbarvater noch gewählt wurde und noch nicht nach Alter in sein Amt kam wie später, war der neue Nachbarvater auf seine Wahl manchmal nicht vorbereitet. Er hatte aber die Pflicht, für den Fasching, der nun folgte, sein Haus zur Verfügung zu stellen. Das hieß, in Windeseile mussten Webstuhl und Möbel aus der Stube entfernt werden. Während die Nachbarn noch beim Schnaps saßen, eilte der neugewählte Nachbarvater also nach Hause und bat seine Frau, schnell alles zu bereiten.
Der alte Nachbarvater wurde mit einer Rede in seinem Haus aus dem Amt verabschiedet, dann gingen alle Nachbarn gemeinsam mit der Nachbarlade ins Haus des neuen Nachbarvaters. Der neue Nachbarvater musste in seinem Haus ebenfalls mit einer Rede die Nachbarn feierlich begrüßen. Bis abends saßen die Männer bei Musik (meist spielten Zigeuner mit Violinen auf) zusammen. Nach dem Abendessen kamen die Frauen dazu. Sie waren bisher beim Richttag außen vor gewesen bzw. hatten die Vorbereitungen für die Speisen zu treffen. Am Nachmittag hatten sie sich bei der Nachbarmutter versammelt und auch bei Schnaps und Strietzel gefeiert. Der Abend und die Nacht wurden dann zusammen gefeiert.
Am folgenden Tag waren wilde Späße und Feiern und Tanz angesagt. Wer morgens zum verabredeten Termin zu spät kam, wurde von zu Hause abgeholt und „in Ketten gelegt“ (in realen Bremsketten) zum Nachbarvater geschleift. Später am Nachmittag besuchten sich die Nachbarschaften gegenseitig und führten sich kleine Szenen und Theaterstücke vor.
Am dritten Tag wurde der Fasching offiziell beerdigt. Traditionell gab es Schweinschmalz-Stullen mit Meerettisch (um den Kater zu vertreiben). Zur „Beerdigung des Faschings“ wurde ein Strohmann gebunden, in einen Sarg gelegt und in der Dorfmitte begraben. Ein als Pfarrer verkleideter Nachbar hielt eine Trauerrede.
(Stand Oktober 2010, J. Jürgens)