In Petersberg haben sich die ehemals vier Nachbarschaften in den 90er Jahren zu einer einzigen zusammengelegt. Den vier großen zur Nachbarschaft gehörigen Straßenzüge steht zwar nach wie vor ein eigener Nachbarvater vor. Die Nachbarschaft agiert aber als eine Körperschaft, der heute der Pfarrer vorsteht. Bei der Zusammenlegung wurden die Statuten dahingehend geändert, dass nun nicht mehr wie bisher die Nachbarväter die jährliche Nachbarschaftssitzung einberufen, sondern der Pfarrer. Damit wurde der Pfarrer quasi zum Vorsitzenden der Nachbarschaft, während er bisher nur eine begleitende Funktion hatte. Der Nachbarvater hat heute noch die Aufgabe, die Nachbarn über dringende Ereignisse zu informieren, zum Beispiel Beerdigungen.
Der Pfarrer leitet auch die "Männerkirche", die jährliche Zusammenkunft, die einem Richt- oder Sittag gleicht und vor der Passionszeit stattfindet. Jeder zur Nachbarschaft gehörende Hof bzw. jede Familie entsendet einen Vertreter, in der Regel einen Mann zur Männerkirche. Heute ist die Männerkirche kaum verschieden von einer Gemeindevertreterversitzung. Die Nachbarschaft ist mit der Kirchengemeinde in etwa deckungsgleich. Es gibt wenig zu richten, denn alle nachbarschaftlichen Arbeiten sind freiwillig und Strafen gibt es nicht mehr. Zum Schlichten kommt es auch kaum mehr, denn wer mit seinen Nachbarn zerstritten ist, erscheint in der Männerkirche nicht - es ist ja keine Pflicht mehr!
In der Sitzung der Männerkirche berichtet der Pfarrer von den Erfolgen des vergangenen Jahres und den geplanten Aktivitäten des laufenden Jahres, insbesondere solche, die den Einsatz vieler Menschen erfordern wie zum Beispiel das Putzen auf dem Friedhof, in der Burg, im Gemeindesaal, in der Kirche. Weil die Männerkirche mit der Kirchengemeinde heute deckungsgleich ist, werden dort auch andere Dinge besprochen, um auf diese Weise eine hohe Akzeptanz der Verwaltungstätigkeit des Presbyteriums in der Gemeinde zu erzielen. Dies ist besonders in kritischen Entscheidungen wichtig, zum Beispiel in der Frage, ob auf dem evangelischen Friedhof auch für andere Konfessionen Platz ist.
Zu den nachbarschaftlichen Arbeiten oder Ereignissen wird noch heute mit dem Nachbarzeichen gerufen. Die Nachrichten schreibt der Pfarrer, der Nachbarvater gibt es in seinem Straßenzug herum. Die Nachrichten beginnen immer mit dem Wortlaut "Der ehrsamen Nachbarschaft wird mitgeteilt". Zu den Arbeiten kommt, wer noch kann. Es ist nicht mehr ein Mann pro Hof, so wie früher, aber es gibt Engagierte, die immer dabei sind. Als Belohnung gibt es nach der Arbeit ein gemeinsames Essen und Trinken für alle, die geholfen haben.
Nachbarzeichen der Petersberger Nachbarschaft (Foto: J. Jürgens)
(Stand Oktober 2010, Julia Jürgens)